941 Eigentümer nennen sich oder werden in Einzeldrucken und Sammelbänden genannt. Darunter sind sieben Klöster, ein Stift, eine Kirche, eine Stadt und eine Bibliothek. Um mögliche Verbindungslinien zu bewahren, sind auch einige wenige Personen miterfaßt, deren Namen in den Schriften anderer Autoren stehen. Diese Schriften wurden später mit denen Luthers zusammengebunden, was in den meisten Fällen ein planvoller Vorgang war, der erst nach seinem Tod stattfand. Die aus den Jahren zwischen 1520 und 1524 stammenden Sammelbände sind dagegen reine Luthersammlungen. Von allen bis 1700 namentlich genannten Eigentümern stammen rund 1.140 Einträge, da viele von ihnen sich in mehrere Bücher eingetragen haben. Ihnen stehen die Lesespuren Anonymer gegenüber, deren Zahl sich nicht schätzen läßt. Es ist zu hoffen, dass sich in Zukunft weitere Einträge, deren Namenszug spätere Sammler herausgeschnitten oder gelöscht haben, schon bekannten Personen zuordnen lassen.
Folgende Einträge und Besitzspuren sind in den Druckbeschreibungen genannt:
In den biografischen Angaben des Personenindex’ steht die Beziehung zu Luther und zu Luthers Werk im Mittelpunkt, das heißt, die Lebensstationen sind erwähnt im Hinblick auf Begegnung und Lektüre. Sind Besitz- oder Lektürevermerk nicht datiert, wurde in jedem Fall eine Datierung angestrebt. Da es sich vorwiegend um Sammelbände handelt, gibt es mehrere Indizien, die eine zeitliche Eingrenzung erlauben: das Publikationsjahr der besessenen Schrift, die datierten Einträge anderer Eigentümer und das jüngste Publikationsjahr im Band. Den letzten Hinweis gibt die Form der Handschrift.
Neben dem Personenindex, dessen Beschreibungsteil Volltextsuche erlaubt, stehen drei Register zur Verfügung:
Die Besitzeinträge häufen sich in den Jahrzehnten 1520-30 und 1540-50. Sie verteilen sich auf die Jahrzehnte zwischen 1500 und 1700 folgendermaßen:
Die Hälfte aller Einträge bis 1700 stammt von Zeitgenossen Luthers. In die Jahre zwischen 1513 und 1550 gehören 568 Einträge, und bis zum Ende des Jahrhunderts kommen noch einmal 357 dazu. Hinter diesem Drittel steht die zweite, vielleicht schon die dritte protestantische Generation, die Luthers Schriften erbte oder sammelte. Im 17. Jahrhundert bestand das letzte Fünftel aus antiquarisch orientierten Sammlern.
Unter den zeitgenössischen Eigentümern sind viele Luthers Studenten und Weggefährten gewesen, darunter Kaspar Adler, Nikolaus von Amsdorff, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Johannes Brenz, Johannes Bugenhagen, Antonius Corvinus, Caspar Cruziger, Veit Dietrich, Johannes Bartholomäus Feldkirch, Johannes Freder, Kaspar Güttel, Justus Jonas, Leonhard Käser, Anton Lauterbach, Wenzeslaus Linck, Gerhard Lorich, Johannes Marbach, Philipp Melanchthon, Johannes Oldendorp, Jakob Propst, Matthäus Ratzeberger, Urbanus Rhegius, Conrad Rhode, Marx Schart, Kaspar Schmidt, Jakob Schopper, Johannes Sutell, Hermann Tulichius, Johannes Wigand und Georg Witzel.
Die Eigentümer von Beginn an bis zum Jahr 1700 sind geistlichen oder weltlichen Standes. Unter ihnen sind Angehörige von Orden und Ordensgeistliche, Priores und Äbte (beider Konfessionenen), Kaplane und Priester, Bischöfe (beider Konfessionen), Domherren (beider Konfessionen), Professoren der Theologie und gelehrte Theologen (verschiedener Konfessionen), Diakone, Vikare und Prediger (auch an Schloß und Hof), Pastoren, Küster und Patrone. Daneben gibt es Studenten, Lehrer und Schuldirektoren, Kantoren, Organisten und Komponisten, Dichter und Historiker, Sekretäre und Kanzler, Ratsherren sowie Rats- und Visitationsschreiber, Mediziner und Apotheker. Es erscheint auch ein Torwärter, und Handwerker nennen sich, so ein Barbier, ein Schneider und ein Schuster, ein Posamentierer, ein Buchdrucker, ein Uhrmacher, zwei Büchsenmacher, ein Medailleur und ein Glockengießer. Schließlich gibt es Obristen und Landsknechte. Und alle lasen sie Martin Luther, aber aus unterschiedlichen Beweggründen.
Die Hälfte der 941 Genannten ist in biografischen Nachschlagewerken nicht verzeichnet. Sie treten uns aus dem Buch entgegen, das sie kauften, lasen oder binden ließen, das sie verschenkten oder erhielten, vererbten oder erbten. Ihre eigenen biografischen Angaben und Lesespuren sind das einzige, was von ihnen überliefert ist. In Zeiten des geistigen und gesellschaftlichen Umbruchs und kriegerischer Unruhen klangen ihre Einträge nicht selten erregt, oft auch klagend oder einfach resigniert. Das Leben des unbekannten Friedrich Franz Laufmann, der sich in einer Leipziger Ausgabe der Decem precepta von 1519 als „Magister von schmalem Glück” bezeichnete, liegt hier wie in einer Nusschale vor uns. Manchen frühen Lesern möchte man gründlicher nachgehen, Magister Balthasar etwa, einem Prediger und offensichtlichen Verehrer von Staupitz, oder Rupert Freyschlag, dem Benediktinerpater, der sich 1520 einen Lutherfolianten binden ließ und möglicherweise bald darauf seinen Namen in die Tat umsetzte, indem er das Kloster verließ, auch Johannes Hess, dem ersten evangelischen Pastor in Breslau, der 1532 seine frühen Lutherschriften binden ließ, mit deren Hilfe er seine Predigten vorbereitet hatte.
Auf dem Grund einer alten Bibliothek schlummern Bibliotheken. Wie in einem Mikroskop sieht man, dass hier Bewegung war. Eine bedeutende Sammlung war die von Heyno Gottschalk, Abt des Klosters Oldenstadt bei Uelzen bis 1529, ein früher und sorgfältiger Leser, Vermittler und Übersetzer von Luthers Schriften über einen Zeitraum von 20 Jahren. Manche Vorbesitzer haben ihre Bände auch numeriert und zeigen, daß ihre Bibliotheken, die sich vermutlich nicht auf theologische Werke beschränkt haben, in die Hunderte gingen. Matthias Flacius gehört zu den gezieltesten Sammlern. Er hat ein Psalmenbändchen hinterlassen, das wahrscheinlich 1536 gedruckt wurde und den erhellenden Eintrag trägt: „Nomine mutato nunc uocor Illyricus.”
Aus den Einträgen treten der eigene Bildungsstand und auch die Wertschätzung Luthers hervor: „ich Sebastian fischer schuhmacher hab das Buch vff dem blatz kaufft Jm 1549 Jar kost mich 4 Batzen es ist aber gar funden wolfel drum”, steht im Rückdeckel eines einst hochgehaltenen Bandes. Und unter das wohlgeordnete Inhaltsverzeichnis im Vorderdeckel, das unter anderem neun Autographen von Luther und Bugenhagen aufführt, schrieb der Meister mit fester, klarer Handschrift: „Jst ein Herlich Gutt Buch”. Dieses Urteil steht im Gegensatz zu den antireformatorischen Kraftworten von unmißverständlicher Bedeutung, die manch anderes Buch zieren. Aber: Auch Gegner waren Käufer.
Wie stand es mit der Ehrfurcht vor Luthers Schriften überhaupt? Manch ein Foliant wurde zum Hausbuch einer Familie über mehrere Generationen, mancher Quartband wurde unter Freunden verschenkt oder vererbt und deutet auf Verflechtungen hin wie, in verschiedenen Gruppierungen, zwischen Urbanus Rhegius (gest. 1541), Caspar Cruziger (gest. 1548), Stephan Agricola (gest. 1547), Johannes Seubold (gest. 1549), Georg Mohr (gest. 1553), Johannes Bugenhagen (gest. 1558), Wolfgang Clopfinger (gest. nach 1568), Nicolaus Gallus (gest. 1570) und Matthias Flacius (gest. 1575). Schließlich gehörten nicht wenige Bücher Frauen, die sie ohne Ausnahme besonders sorgfältig behandelt haben. Die fromme Anna von der Hardt schenkte ihrem Sohn Hermann einen Band aus ihrem Besitz mit den Worten: „Liebes Kindt las dir dis ein liebes Buchlein sein den es ist alles … lere Christi”. Vollendet wird unser Eindruck von der Wertschätzung eines Buches aber erst dann, wenn wir einer jener feinen Gelehrtenhände begegnen, die den Namen ihres Vorgängers mit Nachdruck ausgestrichen oder weggekratzt haben, als sollte ein Widersacher vernichtet werden. Aber: Ehre, wem Ehre gebührt.