Zur Entstehung des Katalogs

I. Vorgeschichte

Gleichzeitig mit der kritischen Werkausgabe Luthers, deren erster Band im Jubiläumsjahr 1883 erschien, publizierten mehrere Bibliotheken Kataloge ihrer Lutherdrucke. 1883 und in den darauffolgenden Jahren erschienen, vorwiegend mit den Frühdrucken bis 1523: die Kataloge der Bibliothek des Paulus-Museums in Worms (1883), der Stadtbibliotheken in Frankfurt am Main (1883), in Hamburg (1885/88) und in Breslau (1892) sowie der der Carl-Alexander-Bibliothek in Eisenach (1891/92). Alle trugen dazu bei, die bibliografische Grundlage durch neue Standorte zu festigen und auch zu erweitern. Als die Herausgeber der Weimarer Ausgabe ab 1891 dazu übergingen, ihren Druckbeschreibungen einzelne Standorte hinzuzufügen, ließ die Notwendigkeit für derartige Kataloge nach; 1898 erschien als letzter der der Universitätsbibliothek Erlangen. Nach einem halben Jahrhundert aber veränderten die Verluste des Zweiten Weltkriegs das überlieferte Bild so stark, dass neue Bestandsaufnahmen nötig wurden.

1961 erschien der Katalog der zeitgenössischen Lutherdrucke in der Landesbibliothek Coburg von Franz Georg Kaltwasser, ihm folgte 1967 der aller Lutherdrucke und -handschriften bis 1600 in der Universitätsbibliothek Göttingen von Helmut Kind. Anlaß für den Coburger Katalog war die Zusammenführung aller in Coburg vorhandenen Lutherdrucke und für den Göttinger die große Schenkung der Mulert-Stiftung im Jahr 1953. Beide Kataloge stellten vor dem Hintergrund des schwerwiegenden Verlustes der Berliner Sammlung eine wichtige Bereicherung dar. Auch der größenmäßig zwischen Coburg und Göttingen liegende Bestand der Landesbibliothek Gotha wurde durch Helmut Claus in die 19(65)/66 erscheinende Lutherbibliographie von Josef Benzing eingebracht, die als Vorausbibliografie zur bereits begonnenen Revision der Weimarer Ausgabe gedacht war. Die Ergänzungen hierzu, bearbeitet von Helmut Claus und Michael A. Pegg, erschienen 1982. Aus Anlaß des Jubiläums von 1983 veröffentlichte die Ratsbücherei Lüneburg ihren Katalog von Hedda Langer, und ihr folgten 1986 die Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten in Weimar (1986) mit dem von Konrad Kratzsch. 1994 erschien der von Helmut Claus bearbeitete Band II der Lutherbibliographie; darin waren unter Zugrundelegung des Wolfenbütteler Katalogmanuskripts einige neue Ausgaben aufgenommen worden und die Angaben durch den Standort Wolfenbüttel vervollständigt, in der Regel aber ohne Nennung von Mehrfachexemplaren.

II. Entstehung

Der Wolfenbütteler Katalog wurde 1970 begonnen und steht nun als letzter in der Reihe der genannten Nachkriegskataloge. Der Umfang der Sammlung war zu Beginn nur grob schätzbar, und am Ende überstieg der tatsächliche Bestand von 5.910 Drucken in 2.310 Ausgaben aus den Jahren 1513-1546 die anfängliche Schätzung von 1969 um etwa ein Drittel. Ziel war eine Buchveröffentlichung mit vollständiger Druckbeschreibung, mit der erstmaligen Abbildung sämtlicher Titelrahmen und Textillustrationen und mit der Angabe aller Provenienzen und handschriftlichen Einträge. Hierfür wurden vier Durchgänge anhand der Exemplare nötig. In den ersten Jahren wurde die Arbeit von der Lotto-Toto GmbH finanziert und ab 1976 im Rahmen des Forschungsprogramms der Bibliothek fortgesetzt, wo sich Professor Dr. Walter Killy und Frau Dr. Sabine Solf für den Katalog einsetzten. Für einige Jahre wurde die Arbeit durch die Fritz Thyssen Stiftung und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Ab 1991 wurden auf Wunsch von Professor Dr. Dr. hc. mult. Paul Raabe die mit der Schreibmaschine geschriebenen Druckbeschreibungen durch die Mitarbeiter der Wolfenbütteler Publikationsabteilung in den Braunschweiger Großrechner BS2000 eingegeben. 1994 zeigte sich, dass die Reproduktion der 2400 Bilder im Buchdruck zu teuer sein würde. Aus dieser Lage heraus wurde die Veröffentlichung auf CD-Rom geplant, deren Herstellung (ab 1998) von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wurde. Als sich 2004 erwies, dass das Ergebnis den Erfordernissen nicht gerecht geworden war, wurde der Katalog ab 2005 mit Einverständnis der Deutschen Forschungsgemeinschaft in eine Internetdatenbank umgewandelt.

Die zweimalige Metamorphose des umfangreichen und komplizierten Manuskripts hat Zeit gekostet ― und Geduld. Am Ende bietet sie dem Leser neue Vorteile, besonders im Hinblick auf die Abbildungen. Ein Nachteil ist, dass die korrekte Anzeige einiger Sonderbuchstaben in den Druckbeschreibungen beim gegenwärtigen Stand der Technik nicht immer gewährleistet ist. Der Leser kann diese Mängel im Erscheinungsbild aber durch Anpassung selbst beheben.

Aus Drittmitteln halbtags tätige oder stundenweise ehrenamtliche Mitarbeiter am Katalog waren Marijke Langemeyer (1970-71; 1. Durchgang), Peter Mortzfeld (1981-83; 2. Durchgang), Ingrid Brandes † (1985-90, ehrenamtlich bis 1991; 2./3. Durchgang) und Heli Toberentz (ehrenamtlich 1996-2002; 3./4. Durchgang und Korrektur). Die Kollegen der Handschriftenabteilung, besonders Wolf-Dieter Otte, trugen zur Entzifferung von Handschriften bei und Helmut Claus sowie Ulrich Kopp gaben Hinweise zu den Drucken. Herr Oswald Schönberg, Leiter der Publikationsabteilung, trug die schwierige Verantwortung für die CD-Rom, für die Dilek Baykara Korrekturen und Zusätze eingab. Um die Internetdatenbank machten sich ab 2005 die Kollegen Professor Dr. Johannes Schneider und Dr. Thomas Stäcker verdient. Christian Knoop hat während seines Studiums am Aufbau des Portals mitgearbeitet und die Datenbank betreut. Stefan Hillger, ebenfalls Student, hat hierfür Korrekturen umgesetzt. Katharina Mähler (ehrenamtlich) bearbeitete die Graphiken für die Einleitung und gestaltete die ausdruckbaren Register, für deren direkte Verknüpfung mit der Datenbank keine Zeit geblieben ist. Allen Genannten, und außerdem der Herzog August Bibliothek als Institution, gilt mein Dank. Sie hat Unterstützung gewährt für einen Katalog, dessen breite Anlage während der ersten Jahre wenig zeitgemäß erschien.

III. Zukunft

An dem Bildregister hat aus eigenem wissenschaftlichen Interesse Dr. Wilhelm Velten mitgewirkt, sowohl Theologe als auch Kunsthistoriker und ehemals Leiter der Bibliothek des evangelischen Ministeriums im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt. Für die Zukunft wäre es ein Gewinn, wenn sich ein Kenner der christlichen Ikonografie wie er der Untersuchung einzelner Bilder oder Bildserien widmen und die Ergebnisse hier mitteilen würde. Im Hinblick auf die 500-jährige Geschichte der Reformation wäre die künftige Erweiterung der Abbildungen auf 100% wünschenswert, entweder durch Zukauf einiger Drucke oder mit Hilfe auswärtiger Vorlagen. Daneben sind Untersuchungen zu den Eigentümern und Lesern vielversprechend, auch zu den anonymen unter ihnen, deren Schriftzüge bildlich erfaßt werden könnten. Einzelne Einbände sind ebenfalls näherer Untersuchung wert.

Der Katalog, der am Ende steht, könnte ein Anfang sein.

Wolfenbüttel, im November 2006
Maria von Katte