Der Wunsch nach Abbildung aller Holzschnitte auf den Titelblättern und in den Texten klang schon 1883 an, im Vorwort zum ersten Band der Weimarer Ausgabe. Bis zu seiner Erfüllung in einem neuen Medium sind über 120 Jahre vergangen. Die Luthersammlung der Herzog August Bibliothek bietet den größten Teil aller Illustrationen in den Schriften bis 1546. Hierbei ist die Bibel ausgenommen, die nicht Gegenstand dieses Katalogs ist. Das Bild ist nicht vollständig, weil einige Drucke, hauptsächlich aus Süddeutschland und aus der Spätzeit, in Wolfenbüttel nicht vorhanden sind. Erfaßt und abgebildet sind insgesamt 2373 Bilder auf den Titelblättern und im Text: 521 Titeleinfassungen (TE), 51 Titeleinfassungen mit zusätzlichem Holzschnitt oder Leiste(n) (TE u. TH; TE u. TL), 111 Titelholzschnitte (TH), 12 einzelne Titelleisten (TL), 4 Titelleisten mit Holzschnitt (TL u. TH), sodann 1593 Textholzschnitte bzw. Textleisten (H; HL), 54 Druckermarken (DM) und 31 Lutherbildnisse (B). Sie alle erweitern das Feld, auf dem die Entwicklung der protestantischen Ikonografie untersucht werden kann.
Die für Luthers Schriften wiederverwendeten oder neugeschaffenen Titelrahmen, vor allem die aus der Frühzeit, sind zu etwa einem Drittel aus Abbildungswerken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt. Bekannt sind auch die Druckermarken und die meisten Porträtholzschnitte des Autors. Neben Hans Baldung Grien, Hans Brosamer, Hans Burgkmair, Hans und Lucas Cranach d.J., Urs Graf, Georg Lemberger, Hans Schäufelein, Heinrich Vogtherr d.Ä. und Anton Woensam von Worms signieren Maler oder Formschneider, die nicht identifiziert sind. Die meisten aber sind ungenannt, und wir kennen nur die Werkstätten, wo ihre heute nicht mehr bekannten Bilder entstanden sind oder wo sie verwendet wurden. Deren künstlerische Qualität ist unterschiedlich, aber selbst die schlichteren unter ihnen, die an vergleichbare Illustrationen aus Basel, Colmar oder Antwerpen nicht heranreichen, überraschen durch Ausdrucksstärke. Sie sind geprägt von plastischer Volkstümlichkeit, wie in Magdeburg und Erfurt, von reformatorischer Bekenntnisfreude, vor allem in Wittenberg, Straßburg und Augsburg, oder von reformatorischer Angriffslust, wie zum Beispiel in Nürnberg – und alle zeichnet eine besondere Innigkeit in den Passionsdarstellungen aus.
In einigen Fällen wurden fehlende Bilder durch Bilder aus anderen Bibliotheken ergänzt: der SBStB Augsburg, der ULB Düsseldorf, der UFB Erfurt/Gotha, der ULB Halle, der UStB Köln, der BSB München, der UB Rostock und der WLB Stuttgart. Die Frage nach der Erstverwendung eines Rahmens oder Bildes in einer Lutherschrift wurde nicht gestellt; sie muß Gegenstand von Einzeluntersuchungen bleiben. In diesem Katalog liegt das Gewicht auf der Form und den Inhalten des Bildmaterials. Beide sind durch ein ausdruckbares Bildregister erschlossen, das dem Betrachter einen formalen und inhaltlichen Überblick sowie die Möglichkeit zu gezielter Suche und zum Vergleichen bietet.
Neben der Abbildung eines Rahmens oder Textholzschnitts stehen die Angaben zu den Maßen, zu den hervorstechenden Merkmalen, zu den Signeten der Drucker und Formschneider und zu den Wappen, schließlich zu den Bildmotiven. Am Ende folgen erste Hinweise auf vergleichbare Darstellungen und bibliografische Nachweise. Unberücksichtigt bleiben die Technik, die anonymen Künstler und die Qualität der Vorlagen und Schnitte. Die Beschreibung der Motive soll vor allem Hinweise geben. Zum Zweck der Hervorhebung und Einprägung wird der Blick auf markante und ungewöhnliche Einzelheiten gelenkt oder das Bildgeschehen wird skizziert. Dabei gilt die Beschreibung mehr der Handlung als dem Bildaufbau. Bei unsicherer Deutung wird auf den Kontext verwiesen. Zu den Textholzschnitten bekannter Künstler eröffnen die bibliografischen Nachweise neuerer Literatur einen ersten Einstieg.